Nach der Bundestagswahl muss für Norddeutschlands Verdi-Chefin Schöttke wieder die Sacharbeit in den Vordergrund. Der Fokus dürfe nicht nur auf zwei Themen liegen.
Norddeutschlands Verdi-Chefin Susanne Schöttke mahnt die künftige Bundesregierung, sich zur Lösung der innerpolitischen Probleme in Deutschland zusammenzuraufen. „Das Thema Sacharbeit muss Vorrang haben, um die dringenden Themen im Land zu bewegen“, sagte Schöttke der Deutschen Presse-Agentur. „Es darf nicht sein, dass der Fokus einzig und allein auf den Themen Militärausgaben und Migration liegt.“
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und Debatten mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump erwarte ein Bündnis aus CDU/CSU und SPD kein Spaziergang, sagte Schöttke. „Diese Themen werden der neuen Bundesregierung viel abverlangen, aber deshalb dürfen innenpolitische Themen nicht vernachlässigt werden.“
Die künftige Regierung müsse zügig ins Handeln kommen, sagte Schöttke. „Denn es gibt eine Menge Themen, die bei der Ampel-Koalition leider nicht vorangekommen sind.“ Als Beispiele nannte sie ein Bundestariftreuegesetz und den Mindestlohn. „Öffentliches Geld darf nicht irgendwelchen Unternehmen hinterhergeworfen werden.“ Optimistisch stimme sie, dass es auch in Ländern mit CDU-Regierung Tariftreuegesetze gebe.
Damit Schwarz-Rot ein Erfolg werden könne, müssten sich beide Parteien entsprechenden Raum geben, sagte Schöttke. „Die SPD als kleiner Partner darf von der CDU nicht untergebuttert werden.“ Beide Partner müssten mit ihre Themen in einer Koalition gleichermaßen durchdringen. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz habe zwar bislang keine Regierungs-, aber ansonsten ausreichend Erfahrung.
Aus Sicht der Gewerkschafterin zwingt die aktuelle, eher negative Stimmung im Land künftige Koalitionäre „zur Versachlichung manch bislang ideologisch eingefärbter Diskussion“. „Wir müssen wieder stärker darauf schauen, was den Menschen guttut.“
Zu den drängendsten Problemen der Menschen zählten derzeit das Thema Wohnen und das Auseinanderklaffen von Reich und Arm, sagte Schöttke. „Die Menschen fragen sich, wie sie in Zeiten der Transformation ihre Arbeit gesichert bekommen. Diese Themen brennen den Menschen unter den Nägeln.“
„Wenn wir über Transformation, Digitalisierung oder Bürokratieabbau sprechen, muss eine neue Bundesregierung sorgsam darauf achten, dass nichts davon zulasten der abhängig Beschäftigten geht“, sagte Schöttke. Oft werde gerade aus Kreisen der CDU die Bedeutung von Arbeitszeitregelungen oder etwa Aufzeichnungspflichten verkannt. „Diese sind ein sinnvoller und wichtiger Schutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“
Migration
„Es wäre außerordentlich bedauerlich, wenn es einer neuen Bundesregierung nicht gelänge, eine gute Kommunikation mit den Menschen zu führen“, sagte Schöttke. „Daran ist die Ampel-Koalition gescheitert.“ Die Menschen seien ja nicht doof. „Die erkennen doch, vor welchen Herausforderungen wir stehen.“
Das Thema Migration wird nach Ansicht von Schöttke medial überhöht. „Die Handlungsspielräume in Bezug auf kriminelle oder illegale Migrantinnen und Migranten sind ausreichend. Das ist eine aufgepeitschte Themenmache.“ Viel wichtiger seien Integration und Hilfen bei der Arbeitssuche.
„Die irre Idee, alle Menschen mit Migrationshintergrund aus diesem Land zu verbannen, kommt einem Super-Gau gleich. Das lässt sich kaum in Worte fassen, insbesondere die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen.“
Mit Sorge betrachtet Schöttke das Erstarken der AfD. „Mein Eindruck ist: Viele Menschen sind nicht vertraut mit dem Programm der arbeitnehmer- und gewerkschaftsfeindlichen Partei. Sie haben wenig Kenntnis über deren Konzepte.“ Es helfe nur, das Gespräch zu suchen.