Nur Stunden nach der Amokfahrt in Mannheim schlossen die Ermittler ein politisches Motiv aus. Ein kommunikativer Fehler, der das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden untergräbt.

Die Tat war gerade acht Stunden her, der Täter nicht vernommen, die Wohnungsdurchsuchung in vollem Gange, da legten sich die Ermittler in Mannheim fest: Man könne ausschließen, sagte der Staatsanwalt vor Journalisten, dass die Amokfahrt in der Innenstadt politisch motiviert sei.

Ja, es gebe da diese Verurteilung wegen „Hate Speech“, räumte er ein, im Jahr 2018 habe Alexander S. ein Bild in den sozialen Netzwerken kommentiert. Man könne nicht einordnen, ob eine Gesinnung hinter dieser Aussage stehe oder ob der Täter sie „aus Dummheit“ getätigt habe. Abseits dieses Kommentars gebe es keine Anhaltspunkte für ein politisches Motiv, wohl aber für eine psychische Erkrankung.

Täter von Mannheim schrieb „Sieg Heil from Germany“

Es dauerte nicht lange, bis herauskam: Das Bild, das der mutmaßliche Amokfahrer kommentierte, zeigt Adolf Hitler in Uniform und mit Hakenkreuzbinde. Und sein Kommentar dazu lautete: „Sieg Heil from Germany“. Der Staatsanwalt muss das gewusst haben, als er von „Dummheit“ sprach und ein politisches Motiv rigoros ausschloss.

Hätte er auch so argumentiert, wenn der Täter eine IS-Flagge mit den Worten „Tod den Ungläubigen“ kommentiert hätte?

Am Tag nach der Amokfahrt veröffentlichte die antifaschistische Rechercheplattform „Exif“ einen Bericht, wonach der mutmaßliche Täter von Mannheim bis mindestens ins Jahr 2018 Teil der rechtsextremen Gruppe „Ring Bund“ gewesen sein soll. Und es tauchten Fotos auf: Sie zeigen Alexander S. im Oktober 2018 bei einer Demonstration in Berlin, gemeinsam mit Neonazis, Reichsbürgern und anderen Rechtsextremisten.

Den Ermittlern war, laut eigener Aussage, weder der Ausflug nach Berlin noch die mögliche Verbindung zum „Ring Bund“ bekannt, als sie ein politisches Motiv ausschlossen. 

Der Schnellschuss untergräbt das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden

Es ist irritierend, ja unverständlich, dass die Ermittler sich so früh festlegten. Ihr Schnellschuss untergräbt das Vertrauen in die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Der Staatsanwalt hat sich ohne Not in eine Lage hineinmanövriert, aus der jeder Erklärungsversuch hilflos wirken muss: „Alleine, dass jemand Verbindungen hat, spricht ja noch nicht für eine entsprechende Motivation“, sagte er unlängst dem ZDF.

Das stimmt. Aber auch eine psychische Erkrankung ist noch lange kein Motiv.

Die Ermittler werden nun den Verdächtigen vernehmen, sein Umfeld durchleuchten, Arztbriefe lesen und sein Handy auswerten. Das alles wird Wochen, eher Monate dauern. Vielleicht kommt am Ende heraus, dass die Tat keinen politischen Hintergrund hatte. Bis dahin muss es heißen: Wir ermitteln in alle Richtungen.