Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer wirbt für ein neues Wehrdienst-Modell. Um verteidigungsfähig zu sein, brauche die Bundeswehr über die aktive Truppe hinaus ein Aufwuchspotenzial, „das uns befähigt, mit mindestens 460.000 Soldatinnen und Soldaten zu kämpfen“, sagte Breuer der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstagsausgabe). Dies gehe nur mit einer Form der Wehrpflicht.
Bedenken, die Bundeswehr sei darauf von ihrer Infrastruktur her nicht mehr eingestellt, wies der Generalinspekteur zurück. „Die Bundeswehr ist hierauf vorbereitet“, sagte er. Der Generalinspekteur verwies dabei auf die sich verschlechternde Sicherheitslage: „Wir müssen damit rechnen, dass Russland ab 2029 in der Lage ist, einen großmaßstäblichen Angriff gegen Nato-Territorium zu wagen.“ Um das zu verhindern, müsse die Abschreckung wieder verstärkt werden.
Die Ampel-Regierung hatte kurz vor ihrem Bruch im vergangenen November Pläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für einen neuen Wehrdienst per Kabinettsbeschluss auf den Weg gebracht. Eine Befassung damit im Bundestag fand wegen des Bruchs der Koalition dann jedoch nicht mehr statt.
Das Bundesverteidigungsministerium wies auf Anfrage jedoch darauf hin, Vorbereitungen für die Umsetzung des Kabinettsbeschlusses würden gleichwohl „konsequent verfolgt“. Dabei gehe es um „Ausbildungsinhalte, Ausbildungskapazitäten wie Personal und Infrastruktur, Verfahren und Kapazitäten für Wehrerfassung und Wehrüberwachung“. Ziel sei, dass das Vorheben „in der neuen Legislatur verzugsfrei weitergeführt werden“ könne, erklärte eine Ministeriumssprecherin.
Die Pläne von Pistorius sehen vor allem vor, alle jungen Männer und Frauen anzuschreiben, um sie nach ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst bei der Bundeswehr zu befragen. Junge Männer sollen zum Ausfüllen und Zurücksenden des Fragebogens verpflichtet werden, Frauen sollen dies freiwillig tun können. Hauptziel ist auch für Pistorius, mehr Personal für die Bundeswehr zu rekrutieren. Eine Dienstpflicht lehnt der SPD-Politiker vorerst jedoch ab.
Der SPD-Verteidigungsexperte Johannes Arlt sagte, er halte die Einführung eines Wehrdienstes in Deutschland ab 2026 für realistisch. Es müsse aber politisch und organisatorisch dieses Jahr noch viel getan werden, „um ab dem nächsten Jahr dann eine größere Zahl an Wehrpflichtigen oder Wehrdienstleistenden aufnehmen zu können und die Ausbildungskapazitäten hochfahren zu können“, sagte Arlt am Freitag im RBB-Radio. „Wir brauchen Betten, wir brauchen Ausbilder“, betonte er.
Noch in diesem Jahr könnten „nicht 20.000 Wehrpflichtige plötzlich“ aufgenommen werden, da die Kapazitäten dafür fehlten. Diese würden aber derzeit aufgebaut, sagte Arlt weiter. „Alle Vorbereitungen dafür werden im Moment mit Hochdruck im Verteidigungsministerium getroffen, um überhaupt wieder einen Wehrdienst einführen zu können.“
Auch die Musterungskapazitäten würden hochgefahren, „um junge Männer und Frauen gegebenenfalls in die Bundeswehr einziehen zu können“, sagte Arlt. Seine SPD wolle den Wehrdienst „vorwiegend auf freiwilligen Elementen“ aufbauen. „Wir sind aber natürlich offen für alle weiteren Diskussionen, denn klar ist, wir müssen uns glaubhaft verteidigen, wir müssen glaubhaft abschrecken können“, sagte Arlt.
Der frühere Wehrbeauftragte des Bundestages, der SPD-Politiker Hans-Peter Bartels, forderte Union und SPD erneut auf, die Wiedereinführung der Wehrpflicht im Koalitionsvertrag festzuschreiben. „Wir brauchen glaubwürdige Abschreckung durch eigene Stärke“, sagte auch er der „Bild“-Zeitung. Derzeit sei die Bundeswehr mit 180.000 Soldaten „dramatisch zu klein“. Bartels erinnerte daran, dass die Streitkräfte vor 1990 über 500.000 aktive Soldaten verfügten. „Dann sollte ein Aufwuchs auf 250.000 in dieser Wahlperiode wohl machbar sein“, sagte er.